Im Zuge der Gleichstellung der Geschlechter wird in der modernen Sprache gegendert, wo gegendert werden muss, liebe Leserinnen und Leser. Das kann zu umständlichen Formulierungen und fürchterlichen Verkrampfungen führen – oder gute Texterinnen und Schreiber zu eleganten Lösungen animieren. Wie das geht, stelle ich Ihnen hier vor.

Gendern ist die sprachliche Gleichsetzung von Mann und Frau (und weiteren geschlechtlichen Identitäten), und zwar dort, wo in der Sprache bisher die männliche Form dominierte und weibliche Anwesende oder Leserinnen ausschloß. Prüfen Sie mal nach: „Der Mensch“ meint eigentlich Männlein und Weiblein und Transsexuelle in ihrer Gesamtheit, aber vor dem geistigen Auge sieht man immer den Vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci, oder?

*Eine kleine Anmerkung zum Bild: Zur Abwechslung illustriere ich einfach mal den Text mit einem nackten Mann, weil ja heute jede Lötlampe und jeder Bürohefter mit Bildern von nackten Frauen beworben wird.

Einige Linguistikspezis werden jetzt einwenden, dass das grammatische Geschlecht (Genus) eines Wortes mit dem biologischen Geschlecht (Sexus) gar nichts zu tun hat. „Der Patient soll dem Arzt vorgestellt werden.“ Es könne natürlich auch eine Frau gemeint sein, wenn nicht sogar zwei. Trotzdem klingt dieser eigentlich korrekte Satz merkwürdig: „Der Patient ist im vierten Monat schwanger.“

 

Grausig Gegendertes

Männliche Allgemeinformen wie „der Patient“, „der Bürger“ oder „der Verbraucher“ kann man nicht mehr ungegendert lassen, denn damit fühlen sich eben nicht „irgendwie alle“ gemeint. Weiterhin stur die männliche Form zu benutzen ist ganz sicher keine Lösung!

Der Schräg/strich
Lange Jahre hatte sich das /innen verbreitet, das einfach an alles drangehängt wurde, was wie ein Substantiv aussah: Unternehmer/innen und Besucher/innen und Gabelstaplerfahrer/innen und Kommunikationsberater/innen, alles war mit /innen eigentlich schnell versorgt.

Das Gender*sternchen
Relativ jung ist nun das * , das den schlanken Schrägstrich ablöst. Es fällt leider *innen* im Text mehr auf und stört den Lesefluss:

„Die Fortbildungsteilnehmer*innen stellten Fragen an die Seminarleiter*innen.“

Sprachlich ist das zwar halbwegs richtig gegendert, aber tatsächlich waren es ein Seminarleiter und eine Leiterin. Was nun? Und irgendwas schmerzt beim Lesen, es wirkt einfach verkrampft und überbemüht.

 

Gut Gegendertes

Man kommt aus der Verkrampfung raus, wenn man sich wie die „Genossnnn und Genossn“ in der Politik die Mühe macht, höflich und ausführlich beide Formen auszurollen. Denn das freut die „Bürgerinnen und Bürger“ genauso wie die „Teilnehmerinnen und Teilnehmer“. Ja, es macht die Texte länger, hat aber was Entspanntes und Souveränes.

„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildung stellten Fragen an die Kursleiterin und den Dozenten.“

Der Plural „die Teilnehmer“ wirkt eigentlich schon neutralisierend und niemand ist ausgeschlossen. Man rettet sich deshalb auch gern in diese Neutrale Zone:

„Die Teilnehmenden der Fortbildung stellten Fragen an die Seminarleitung.“

So gehts auch. Man hat ja reichlich Lehrende und Zuhörende und Anwesende zur Verfügung. Auch Schreibende. Und Berufseinsteigende, Steuerzahlende, Zuschussbeantragende, Beteiligte und Mitwirkende, Absolvierende, Beauftragende, Vertragsunterzeichnende, Selbstständige sowieso, und Existenzgründende … Beispiele ohne Ende. Diese sprachliche Nichtangriffszone ist meistens kurz und praktisch, wirkt aber auch ein bischen blutleer und distanziert.

 

Elegant und geschickt Gegendertes

Aufwändig, aber eleganter, ist die Verwendung zweier sehr verwandter Begriffe, also der Verzicht auf die Doppelung und Wiederholung. Sowohl Weiblein als auch Männlein bekommen ihr eigene Bezeichnung:

„Die Teilnehmerinnen und Zuhörer der Fortbildung stellten Fragen an die Seminarleiterin und den Dozenten.“

Ja, der Satz ist lang, aber alle sind mit im Boot. Man spürt die Höflichkeit. Soviel Zeit muss sein. Immer noch gilt: Die weibliche Form kommt zuerst, dann die männliche. Kniffelig ist das Finden passender Synonyme oder Zwillingsbegriffe, die nicht schon wieder einen Graben zwischen Männlein und Weiblein ziehen.  Aber oft führt diese Lösung aus dem Sternchendilemma raus. Probieren Sie es gelegentlich.

Gendern oder nicht gendern …

Man sollte nur dann gendern, wenn die Hinzuziehung der weiblichen Form ein Missverständnis ausräumt, statt es zu verstärken. Mir stößt an dem Gendersternchen auf, das in vielen Texten das Geschlecht der Personen für die Kernaussage gar keine Rolle spielt, durch das Gendersternchen aber unnötig betont und in den Vordergrund gestoßen wird. Bei einem Hausbrand will ich nicht wissen, welches Geschlecht die verletzten Bewohner hatten, sondern ob sie gerettet wurden.

Wenn eine Frau von sich selbst spricht und die männliche Form benutzt, wird es merkwürdig. Zum Beispiel hier:

In einem zwanglosen Gespräch ging es um das Talent, Termine zu organisieren. „Ich bin jemand, der das kann.“ behauptete eine Frau von sich, anstatt einfach zu sagen: „Ich bin eine, die das kann.“ In der Umkehrung würde kaum ein Mann von sich sagen: „Ich bin eine Person, die das kann.“ Oder?